Im Bereich der Subduktionszonen nimmt die Häufigkeit von Erdbeben von der
Oberfläche bis in etwa 300 km Tiefe zunächst exponentiell ab, dann
jedoch wieder zu und erreicht bei 550 bis 600 km ein Maximum, bevor sie
erneut abfällt. Im Gegensatz zu den Erdbeben, die
im Bereich bis zu etwa 300 km Tiefe vorkommen und durch Sprödbruch und
Reibungsgleiten verursacht werden, lassen sich die tiefen Erdbeben nicht
durch Mechanismen dieser Art
erklären, da unterhalb von 300 km Tiefe das Mantelgestein plastisch
deformierbar ist.
Aus diesem Grunde wurde frühzeitig die Vermutung geäußert, daß
tiefer entspringende Erdbeben-Herde mit den im jeweiligen
Tiefenbereich auftretenden Hochdruck-Phasenübergängen der
Mantelminerale, vor allem Olivin, in Zusammenhang stehen ((Sung und Burns(1976))).
Bei den Temperaturen und Drücken, die im kalten Kern einer Subduktionszone
zu erwarten sind, werden diese Phasenumwandlungen
kinetisch so stark gehemmt, daß sie unter Umständen bis zu 100-200 km
unterhalb der Gleichgewichtstiefe (bei ca. 400 km) noch metastabil auf der
geologischen Zeitskala bestehen bleiben können.
Eine solcher metastabiler kalter Plattenkern wäre dann bei
500-600 km Tiefe die mögliche Ursache mechanischer Instabilitäten.
Diese sehr frühzeitig geäußerte Hypothese wurde in den darauf folgenden
Jahren wiederholt aufgegriffen und untermauert.
Insbesondere schlug (Rubie(1984)) vor, daß als Folge der Phasenumwandlung
die Korngröße der Spinell-Phase erheblich reduziert
werden könnte, was eine Änderung des Deformationsregimes im Innern
abtauchender Platten und damit eine deutliche Änderung ihres rheologisches
Profils zur Folge hätte.
Ebenfalls wurde der Einfluß der freiwerdenden latenten Wärme
diskutiert, die infolge einer autokatalytischen Wirkung in einer Art
thermischer Kettenreaktion die Transformationsprozeß extrem beschleunigen
kann ((Hsui und Toksoz(1979); Toksoz et al.(1971))).
Eine quantitative Analyse dieser kinetischen Effekte war jedoch lange
Zeit kaum möglich, da verläßliche experimentelle Daten sowohl zu dem
Gleichgewicht als auch zu den kinetischen Parametern am Olivin-Spinell
Übergang von (Mg,Fe)2SiO4 (Oberflächenenergie,
Aktivierungsenergie, etc.) nicht zur Verfügung standen.
Diese Lücke gelang es erst mit Beginn der 90iger Jahre weitgehend zu
schließen. Zunächst präzisierten kalometrische Messungen in
Multianvil-Apparaturen wichtige Gleichgewichtseigenschaften der Olivin- bzw.
Spinell-Modifikation von (Mg0.89Fe0.11)2SiO4
(z.B. (Akaogi et al.(1989))), dann wurde mit Hilfe von in-situ Diffraktionsexperimenten
unter hohem Druck wichtige kinetische Parameter am Übergang bestimmt (u.a.
(Rubie et al.(1990))).
Darauf aufbauend, wurden erstmals quantitative Modelle zum Einfluß des
Olivin-Spinell Übergangs auf die thermische Struktur abtauchender Platten
möglich ((Daßler et al.(1996); Kirby et al.(1996); Rubie und Ross II(1994))).
Parallel dazu wurden bei Deformationsexperimenten an der
Analogsubstanz Mg2GeO4 sogenannte Anti-Riß-Verwerfungen beim
Übergang in die Spinellphase gefunden, die als möglicher
Trigger-Mechanismus für das Auslösen tiefer Erdbeben im kalten
Plattenkern in Frage kommen ((Burnley et al.(1991); Burnley und Green II(1989))).
Weitere aktuelle Arbeiten dazu wurden u.a. von
(Morris(1992)) und (Liu und Yund(1995)) veröffentlicht.